Widerrufsjoker beim Kaskadenverweis?
Ende März hatte eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Aufsehen gesorgt. Dabei ging es um die Möglichkeit, ein Darlehen im Falle eines sogenannten Kaskadenverweises zu widerrufen. Von einem Kaskadenverweis spricht man, wenn in einer vertraglichen Bestimmung auf ein Gesetz Bezug genommen wird, welches wiederum auf ein anderes Gesetz verweist.
Bei Darlehensverträgen für Verbraucher gibt es bekanntlich ein Widerrufsrecht, auf das in einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung entsprechend hinzuweisen ist. Eine ganze Reihe dieser Widerrufsbelehrungen enthalten den Verweis auf § 492 Abs. 2 BGB, der wiederum auf Art. 247, §§ 6 bis 13 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB)verweist. Erst in den letztgenannten Normen sind die Rechte des Verbrauchers im einzelnen dargelegt.
Den Verweis nur auf die weiterverweisende Norm des § 492 Abs. 2 BGB hat der Europäische Gerichtshof im Rahmen der Widerrufsbelehrung von Verbraucherdarlehen wegen Verstoßes gegen die Verbraucherkreditrichtlinie als unzulässig angesehen. Die Folge dieser Entscheidung wäre, dass Verbraucher in vielen Fällen etwaige Darlehensverträge noch nachträglich widerrufen können. Jedoch hat der eher bankenfreundliche 11. Senat des Bundesgerichtshofs dieser Schlussfolgerung nun einen Riegel vorgeschoben und in einer am 31. März 2020 getroffenen Entscheidungen entschieden, dass der besagte Kaskadenverweis unabhängig vom Urteil des EuGH nicht zum Widerruf berechtigt; der deutsche Gesetzgeber habe, so der Bundesgerichtshof, mit dem § 492 Absatz 2 BGB eine derartige Verweisung explizit anerkannt.
Dies erscheint wenig nachvollziehbar. Die Darlehensgeber haben es schließlich selbst in der Hand, sich für eine direkte Verweisung zu entscheiden und direkt auf Artikel 247 §§ 6 bis 13 EGBGB Bezug zu nehmen. Es gibt daher gute Gründe anzunehmen, dass der EuGH in neuerlichen Entscheidungen die bisherige Linie bestätigen wird. Eine richtlinienkonforme Auslegung wäre hier sicherlich gut möglich.
Was heißt das alles in der Konsequenz für den Verbraucher? Sofern er ein Darlehen hat, welches er gegebenenfalls gerne rückabgewickelt bekäme, sollte er sich qualifiziert hierzu beraten lassen. Je nach der konkreten Gestaltung im Einzelfall gilt es die Chancen und Risiken eines solchen Vorgehens abzuwägen und die Fristen zu klären.